Far Cry 6 im Test

Far Cry 6 im Test: Es hätte so gut werden können

Mit Far Cry 6 setzt sich die Spielereihe nun ab dem 07. Oktober 2021 auf der Xbox, Stadia, PS4, PS5 und dem PC fort. Der fiktive Inselstaat Yara bietet eine so wunderschöne Atmosphäre, die durchaus an den sehr beliebten dritten Teil erinnert. So positiv haben es die Spieler allerdings nicht angenommen. Mit gerade einmal 3,5 von 10 Punkten wird der neue Titel in der Nutzerbewertung auf Metacritic abgestraft. Die Fachpresse zeigt sich mit 75 von 100 Punkten deutlich begeisterter.

Gründe für die negativen Bewertungen sind vor allem fehlende Neuerungen, ein wenig motivierender Grind und eine sehr repetitive Spielerfahrung. Gerade zu Anfang gab es aber auch viel Kritik an der fehlenden italienischen Sprachausgabe, was viele Null-Punkte-Bewertungen zur Folge hatte. Aber ist Far Cry 6 wirklich ein Flop? Für wen könnte es trotz der harschen Kritik interessant sein? Das erfahrt ihr hier im Test.

Die Story von Far Cry 6

Die Geschichte spielt auf dem fiktiven Inselstaat Yara in der Nähe von Kuba. Der Diktator Antón Castillo lässt auf der Insel eine genveränderte Pflanze anbauen, die als Heilmittel gegen Krebs wirken soll. Damit möchte er die anderen Staaten unter Druck setzen und versklavt hierfür die Einwohner von Yara. Ihr spielt dabei Dani Rojas (Name ist unabhängig eurer Geschlechtswahl) und rettet am Anfang Castillos Sohn, Diego, aus einem Gefecht. Zum „Dank“ lässt Castillo euer Fluchtboot versenken und ihr überlebt als einziger.

Im Tutorial lernt ihr dann Clara García, die Anführerin der Rebellengruppe „Libertad“, kennen. Daraufhin schließt ihr euch den Freiheitskämpfern an und leistet ab sofort gemeinsam Widerstand gegen Castillos Truppen. Diese Grundidee bietet sehr viel Potential für eine spannende Story. Auch spricht euer sonst so wortkarger Protagonist jetzt deutlich häufiger als in früheren Far Cry-Teilen und wirkt mehr wie ein agierender Bestandteil des Geschehens. Auch die Rolle von Castillo ist sehr gut gespielt und synchronisiert.

Ein Rückschritt der Spielereihe

Trotz all dieser wirklich vielversprechenden Ansätze hat Entwickler und Publisher Ubisoft hier die großen Potentiale des sechsten Teils nicht genutzt. So sind die Zwischenszenen mit Antón Castillo grafisch sehr gut umgesetzt und die Lektionen für seinen Sohn Diego gut geschrieben. Dennoch bauen diese kaum aufeinander auf und wirken sehr distanziert von eurem Geschehen. Erst zum Ende des Spiels werdet ihr wirklich den Eindruck erhalten, dass eure Taten auch die Szenen aktiv beeinflussen.

Die Charakterentwicklung bleibt bei nahezu allen Akteuren auf der Strecke. Was bei Castillo noch nachvollziehbar sein mag, hätte sich bei dem Gewissenskonflikt seines Sohns Diego umso deutlicher zeigen können. Geht es nach seinem Vater, soll er früh die Herrschaft übernehmen und ebenso rücksichtlos die Einwohner ausbeuten. Dieser innere Konflikt ist eigentlich ein zentraler Teil der Handlung, behält aber im gesamten Spiel keine großen Überraschungen für euch bereit.

Far Cry 6 - Diego Castillo

Diego ist der Sohn des Diktators Antón Castillo und soll nach seinem Tod die Herrschaft mindestens genauso brutal weiterführen.

Es fehlt an Tiefe

In Far Cry 6 werden viele kontroverse und schwer verdauliche Themen angesprochen. Sie werden allerdings immer nur so oberflächlich präsentiert, dass sie teils überflüssig oder deplatziert wirken. Massenmord, Menschenhandel, Folter, Sklaverei und Gewalt gegen Menschen und Tiere passen mit vielen sehr lockeren und eher humoristischen Szenen kaum zusammen. Versteht sich Far Cry 6 als „Fun-Shooter“, so passen diese Thematiken in ihrer brutalen und detaillierten Form nicht dazu.

Schon vor Erscheinen des neuen Teils hatte sich unter anderem PETA über die Darstellung von sogenannten Hahnenkämpfen auf Twitter echauffiert und Ubisoft aufgefordert, dieses Mini-Spiel zu entfernen. In einem der Lager habt ihr nämlich die Möglichkeit, eure gesammelten Hähne gegen eure Mitspieler im Koop-Modus oder KI-Gegner antreten zu lassen. Es erinnert stark an Spiele wie Tekken, nur eben mit einer schwergängigen Steuerung und nur drei möglichen Attacken. Es scheint als entscheide hier mehr das Trefferglück über den Sieg als euer Können. Spielerisch wäre dieses Mini-Spiel also tatsächlich kein Verlust gewesen.

PETA kritisiert Hahnenkämpfe

Dennoch ist die berechtigte Kritik von PETA vor allem auf die unzureichende Tiefe der Thematiken zu beschränken. Die Kritik, dass hier etwas gezeigt wird, was fast überall auf der Welt verboten ist, hebt sich dann auf, wenn man weiß, dass der fiktive Staat Yara zu Kuba gehört. In Kuba gehören Hahnenkämpfe leider zum Alltag und sind nicht verboten. Auch die Rassismusvorwürfe, es würde die gesamte lateinamerikanische Gesellschaft hier als brutal dargestellt werden, sind haltlos.

In Kuba ist es die brutale Realität, auf die Ubisoft hier aufmerksam macht. Im Regelfall geht so ein Hahnenkampf für eines der beiden Tiere tödlich aus. Ein Yaraner gibt uns auch zu verstehen, dass er seinen Hahn liebt und meistens sehr früh den Kampf aufgibt, da er ihn nicht verlieren will. Wenn auch nur am Rande, gibt hier Ubisoft zumindest subtil zu verstehen, dass dieses „Unterhaltungsspektakel“ keineswegs harmlos ist.

Far Cry 6 - Hahnenkampf

Die umstrittenen Hahnenkämpfe erinnern stark an Spiele wie Tekken, sorgen aber aufgrund der schwergängigen Steuerung nur für wenig Spielspaß.

Grafisch ist Far Cry 6 eine Idylle

Eines muss man dem sechsten Teil der Serie allerdings lassen: Die grafische Umsetzung ist zum Großteil sehr gut gelungen. Hier halten die imposanten Trailer, was sie versprechen. Das Wasser sieht erfrischend realistisch aus und die Natur kommt mit den gesättigten Farben gut zur Geltung. Auch die Waffenanimationen sind detailliert und die Waffen selbst sehen realistisch aus, auch wenn Waffen wie der CD-Werfer natürlich als „gewagte Konstruktion“ bezeichnet werden könnten.

Bei den Gesichtsanimationen und Bewegungen der verschiedenen NPCs erkennt ihr allerdings schnell, dass hier die Engine der Entwickler wohl an ihre Grenzen stößt. Die wichtigsten Charaktere sind grafisch zwar gut umgesetzt, bringen allerdings über ihre Gesichter kaum Emotionen herüber. Das steht dann zur recht gelungenen Synchronisation des Spiels in einem großen Missverhältnis. Vor allem die namenlosen Mitstreiter von Libertad wirken völlig emotionslos. In einer Szene tanzen, jubeln und feiern sie, aber die Gesichtsanimationen bleiben praktisch unverändert.

Far Cry 6 - grafische Idylle

Gerade die Bereiche der Insel mit starker Vegetation beeindrucken mit gesättigten Farben und sorgen für eine ausgelassene Inselatmosphäre.

Spielerisch macht Far Cry 6 dennoch Spaß

Trotz der vielen negativen Punkte könnt ihr durchaus eure Freude am Spiel haben, denn für eine gewisse Zeit gibt es durchaus jede Menge auf Yara zu entdecken. Die Vielfalt an Nebenmissionen, Basen, Truhen, Autos, Outfits, Sammelobjekten und Kontrollpunkten ist immens. Anfangs könnt ihr so einfach die Welt erkunden und findet, auch ohne eine Mission zu verfolgen, immer etwas, was ihr erledigen könnt. Was euch zunächst erschlägt, wird jedoch relativ bald sehr ermüdend, sodass ihr vielleicht doch mal ein paar Truhen und Sammelobjekte stehen lasst, um die Hauptstory weiter voranzubringen.

Far Cry 6 ist natürlich nicht zuletzt auch ein Shooter-Spiel, welches mit der großen Waffenvielfalt und den unzähligen möglichen Upgrades euch auch viel anbietet. Die Motivation für neue Upgrades und Waffen lässt aber auch schnell wieder nach. Relativ bald habt ihr eure ideale Waffenkombination und die passenden Mods gefunden und müsst diese theoretisch bis zum Story-Ende nicht mehr ändern. Auch euer Charakter verändert sich im Laufe des Spiels kaum. Während es in vorherigen Far Cry-Teilen noch einen Talentbaum gab, gelangt ihr nur noch über eure Waffenmods und Outfits an Bonuseffekte. Diese könnt ihr sogar während des Kampfes den Bedingungen anpassen. Das ist jedoch praktisch nie notwendig, denn selbst im etwas anspruchsvolleren der beiden Schwierigkeitsgrade sind die Gefechte nie sonderlich herausfordernd.

Pferde & Fahrzeuge

Neben gewöhnlichen Fahrzeugen könnt ihr in Far Cry 6 auch verschiedene Pferde als fahrbaren Untersatz wählen.

Der Far Cry 6 Koop-Modus ist eine Katastrophe

Solltet ihr nicht alleine, sondern mit einem Freund zusammen Yara erkunden wollen, werdet ihr beide harte Nerven benötigen. Während sich viele Spieler noch gewünscht haben, dass in Far Cry 6 endlich auch der Mitspieler Erfolge und Spielfortschritt erhält, scheitert es jetzt schon an einigen Gamebreaking-Bugs. In verschiedenen Situationen half nur ein Neustart des Spiels oder ein Neubeginn der Mission. So sollt ihr einem NPC hinterherlaufen, der aber einfach stehen bleibt und nicht weiterrennt. Teilweise rennt dieser dann auch noch zurück, während euch euer gerettetes Zielobjekt in den Armen langsam verblutet.

Oft stimmt auch schlicht die Synchronisation beider Spieler nicht. Gerade beim Autofahren kommt es immer wieder vor, dass ihr seelenruhig fahrt und euer Mitspieler sich auf dem Beifahrersitzt mehrfach überschlägt. Dabei landet er manchmal auch unter der Map, sodass nur noch ein Neustart hilft. Auch die Interaktion in den Lagern ist nur dem Host vorbehalten. Erst wenn der Host den Lagerbereich verlässt, kann auch der Koop-Partner mit einigen Händlern und anderen NPCs sprechen. Aber auch die Performance lässt zu wünschen übrig. Bei jedem eingesammelt Objekt (und das sind so einige) gibt es einen kleinen Ruckler. Plündert ihr also fleißig ein Lager bewegt ihr euch zeitweise in einer Diashow. Nach einem kürzlichen Update haben diese Ruckler sich sogar noch einmal deutlich verschlimmert.

Bei der KI fehlt das „I“

Dass die KI (künstliche Intelligenz) ihrem Namen in einigen Spielen nicht immer gerecht wird, wissen wir natürlich alle. Auch die vorherigen Far Cry-Teile können sich hier nicht herausnehmen. In Far Cry 6 nimmt das jedoch ganz andere Ausmaße an: So zum Beispiel befreunde NPCs, die mit ihrem Auto ohne Vorwarnung auf eure Fahrbahn wechseln, sofern Sie nicht gerade wiederholend gegen eine Wand oder einen Pfosten fahren. Auch Castillos Truppen könnt ihr mit einem Schalldämpfer offenbar blind machen. Solange ihr ein etwas Abstand haltet, könnt ihr frontal der Reihe nach mehrere Soldaten nebeneinander töten, ohne dass euch irgendjemand sieht. Manche Soldaten sehen euch auch dann nicht, wenn ihr im Gefecht auf sie zu rennt und euch dann neben sie stellt.

Auch eure verschiedenen Tierbegleiter sind seltener hilfreich als dass sie euch verraten. Sehen die Soldaten euer Tier, rennen sie wild umher und nicht selten direkt in eure Richtung, sodass ihr ein lautloses Vorgehen vergessen könnt. Vorgänger Far Cry 5 hat auch durch ziemlich interessante Bosskämpfe punkten können. Obwohl die Hauptstory im sechsten Teil sich vor allem auf das Ausschalten der Gebietsbosse bezieht, gibt es bis auf einen kurzen Hubschrauberkampf keine Bosskämpfe. Fast alle Bosse werden ohne eigene Anstrengungen einfach in einer Zwischensequenz getötet.

Far Cry 6 - Supremos

Supremos sind verschiedene hilfreiche Rücksäcke in Far Cry 6. Manche verschießen Raketen, mit anderen könnt ihr euch heilen oder selbst wiederbeleben.

Fazit

Die Trailer von Far Cry 6 haben viele Spieler auf eine sehr erfrischende Fortsetzung in idyllischer Insel-Atmosphäre hoffen lassen. Auch wenn das Spiel grafisch größtenteils abgeliefert hat, hat sich Far Cry spielerisch, technisch und in der Erzählweise dieser Fortsetzung keinen Gefallen getan. Euer Protagonist bringt sich zwar dieses Mal mehr ein, entwickelt sich aber in der gesamten Geschichte weder von seinen Fähigkeiten als auch charakterlich sonderlich weiter. Spannung kommt innerhalb der Story nur am Anfang und am Ende auf, alles dazwischen ist vor allem ein wenig belohnendes „Abarbeiten“ von Missionszielen.

Technisch war vor allem der Koop-Modus sehr frustrierend, insbesondere für den Mitspieler. Diverse kleinere Bugs bis hin zu Gamebreaking-Bugs haben das Spiel manches Mal erheitert und so manches Mal für Frust gesorgt. Letztlich war es jedoch nicht einmal nach Neuinstallation möglich einen Screenshot per Ubisoft Connect zu speichern, da dann das Spiel umgehend abstürzt.

Trotz vieler guter Ideen hat Ubisoft das große Potential des Spiels nicht genutzt. Es ist mehr ein großer bunter Teller an Möglichkeiten von dem man das meiste einfach nicht essen möchte. Wenn ihr nicht gerade sehr hartgesottene Fans der Spielreihe seid, ist Far Cry 6 im aktuellen technischen Zustand (insbesondere Koop-Modus) und zum aktuellen Preis nicht zu empfehlen.

Transparenzhinweis: Das Spiel „Far Cry 6“ für den PC wurde für diesen Test von Ubisoft kostenfrei zur Verfügung gestellt.