The Last of Us 2 gehört zweifellos zu den meisterwarteten Spielen in diesem Jahr. So hat sich der Erscheinungstermin immer wieder großzügig nach hinten verschoben. Aber am 19. Juni 2020 war es dann soweit und endlich konnten die Fans der Spieleserie herausfinden, wie das Abenteuer von Joel und Ellie in der Zombie-Apokalypse weitergeht. Die lange Wartezeit auf Teil 2 und die überragenden Reaktionen auf den Vorgänger haben hohe Erwartungen in der Fangemeinde ausgelöst. Nun schienen diese sich für einen Teil der Community nicht erfüllt zu haben. Laut der Webseite Metacritic bewerten die Spieler den Nachfolgetitel nur mit 5,4 von 10 Punkten, basierend auf über 120.000 Bewertungen. Dagegen stehen aktuell 113 Presse-Reviews, die im Durchschnitt 94 von 100 Punkten vergeben.
Spoiler-Warnung
Dieser Testbericht enthält keinerlei Story-Spoiler. Allerdings gibt er euch Informationen zu Gefühlen, während des Spielens und bewertet, was ihr von der Story erwarten könnt. Wenn ihr sämtliche Details selbst entdecken wollt, empfiehlt es sich an dieser Stelle nicht weiterzulesen. Sollte euch jedoch die lautstarke Kritik am Spiel verunsichert haben, ob sich der Kauf des zweiten Teils dennoch lohnt, kann euch dieser Testbericht bei der Entscheidung helfen.

The Last of Us 2 ist keine klassische Heldengeschichte und bedient sich nicht dem gewohnten Schwarz-Weiß-Schema.
The Last of Us 2 ist mutig und anders
Ein Großteil der Kritik fällt vor allem auf den dramaturgischen Aufbau der Erzählung und auch auf generelle Handlungen und Entscheidungen der Charaktere zurück. In anderen Worten: Vielen Spielern gefällt die Handlung nicht. Der zweite Teil wird euch mit sehr viel Brutalität und den Abgründen der Menschlichkeit in einer Zombie-Apokalypse konfrontieren. Viele haben sich eine Heldengeschichte gewünscht, die klar in Schwarz und Weiß einzuteilen ist, so wie es auch beim ersten Teil zumindest lange erschien. Schon im ersten Teil von The Last of Us hat Joel mit seiner Entscheidung, Ellie zu retten, zwar heldenhaft einen Menschen vor dem Tod bewahrt, dafür aber den Rest der Menschheit um ein Heilmittel gebracht. Der erste Teil endet damit mit einer Entscheidung, die bereits einen Schatten auf den Helden-Image von Joel wirft.
Eine klare Moral mit wenig eigener Freiheit
Was einige Spieler in diesem Zusammenhang ebenfalls kritisch sehen, ist die vermittelte Moral. Diese wird euch beim Spielen sehr deutlich präsentiert und es steht im Vordergrund diese Moral zu transportieren. Euch wird dabei die Möglichkeit verwehrt eure eigenen Moralvorstellung in das Spiel einzubringen. Ihr seid vor allem Zuschauer, wie in einem Film, nur dass ihr vielleicht sogar entgegen eurer eigenen Moralvorstellung handeln müsst. Vielen Kritikern ist das zu unangenehm und sie würden lieber eigene Entscheidungen treffen können. Diese gab es allerdings schon im Vorgängertitel nicht.
Eure Spielweise hat ebenfalls keinerlei Einfluss auf die Story. Es ist also nicht relevant, ob ihr euch größtenteils durch eine Gruppe von Gegnern durchschleicht oder alle niederstreckt. Gleichzeitig bleibt es eine der wenigen Freiheiten im Spiel zu entscheiden, ob ihr eure Gegner schleichend aus dem Hinterhalt oder offensiv mit Waffen erledigt bzw. große Gruppen auslasst.

Durch Schleichen könnt ihr nahezu alle Gegner unbemerkt oder mit euren Waffen ausschalten. Die Wahl liegt bei euch.
Eine KI mit kleinen Schwächen
Auch wenn es die Story nicht beeinflusst, wie und ob ihr Gegner erledigt, hat sich das Entwicklerstudio Naughty Dog sehr darum bemüht die vielen Gegnerhorden menschlicher zu machen. Alle menschlichen Gegner haben nämlich einen eigenen Namen. Tötet ihr einen und jemand findet seinen Kameraden ruft er beispielsweise: „Oh nein, Laura ist tot!“
Merkwürdig ist dabei nur, dass die Besorgnis offenbar nicht zu mehr Vorsicht führt. So ist es an manchen Stellen im Spiel möglich, sich zu verstecken, mit den Leichen einen Gegner nach dem anderen anzulocken und immer an derselben Stelle zu töten. Dass vier ihrer Freunde tot auf einem Haufen liegen, macht die KI leider nur selten skeptisch. An einer Stelle im Spiel ruft ein Mann sogar: „Sie versuchen uns zu ködern!“, nur um dann wenige Sekunden später sich selbst ködern zu lassen. Werdet ihr einmal entdeckt, müsst ihr auch nicht weit weglaufen bis man offenbar euren Standort gar nicht mehr lokalisieren kann und teils unvorsichtig in der Gegend herumläuft.

Dreh- und Angelpunkt des Geschehens ist Seattle und leider durch die grün-graue triste Gegend teilweise etwas ermüdend.
Ein grafisches Meisterwerk voller Detailverliebtheit
Im Spielverlauf werden zwei Dinge sehr schnell deutlich: The Last of Us 2 ist ein grafisches Meisterwerk. Wahrscheinlich wäre die grafische Umsetzung schon einem der ersten PS5-Titel würdig gewesen. Nicht nur, dass die Animationen und Bewegungen aller Charaktere extrem detailgetreu und flüssig wirken, sondern auch die Umgebung zieht euch förmlich in die apokalyptische Welt. Viele gut ausgearbeitete Details bleiben auch häufig im Hintergrund. So lauft ihr durch eure Stadt und seht abseits ein paar Kinder Schlittenfahren, Schneeengel machen und sich unterhalten. Auch wenn die Umgebung nicht im gesamten Spiel so stark ausgearbeitet ist, gewinnen gerade die für die Story relevanten Teile an Wert.
Ein Großteil der Story findet nämlich – wie bereits aus Trailern bekannt – in der Stadt Seattle statt. Kritisch ist zu erwähnen, dass ihr dadurch leider auch die meiste Zeit im Spiel damit verbringt durch eine recht ermüdende grün-graue Stadt zu laufen. Dennoch ist vor allem Seattle sehr reich an Details. Ein Video vergleicht hierzu die Schauplätze vom Seattle aus The Last of Us 2 und dem Seattle der heutigen Zeit und zeigt, wie gut diese grafisch umgesetzt wurden.

Der detaillierte Nachbau von einem Seattle in der Apokalypse ist nur ein Teil der grafischen Leistungen dieses Spieletitels.
So brutal ist The Last of Us 2
Was allerdings ebenso detailliert und für manch zarte Gemüter unter euch vielleicht „etwas zu viel des Guten“ sein könnte, ist die detailgetreue Brutalität im Spiel. Die menschlichen Feinde röcheln am Boden, rufen um Hilfe und sterben teils erst nach einigen qualvollen Sekunden. In wenigen Situationen ist es sogar möglich zu entscheiden, ob ihr einen am Boden liegenden Gegner verschont oder tötet. Das Problem: Verschont ihr ihn, steht er wieder auf und wird euch töten wollen.
Emotionsgeladen bis zum Schluss
Es ist jedoch nicht nur die brutale Darstellung an sich, sondern es sind auch die vielen – für viele Spieler unmoralischen – Entscheidungen, an denen für euch kein Weg vorbeiführt. Dabei geht es sogar so weit, dass auch im Test an einer Stelle das Spiel eine Wendung nimmt, die zunächst den Spielspaß raubt. Es ist zum Teil auch die vermittelte Moral, die einem relativ schnell bewusstwird. Das macht die Handlung zumindest ein Stück weit vorhersehbar. Auch wenn das für viele Kritiker ein großes Manko ist, gibt es jedoch genug Situationen im Spiel, die noch überraschen. Leider nicht immer zum Positiven.
Doch Entwickler Naughty Dog möchte genau diese Achterbahn der Gefühle im Spiel verursachen und Menschen zum Nachdenken bewegen. Trotz aller Kritik kann man objektiv sagen, dass die Entwickler damit erfolgreich waren. Die vielen Diskussionen und Meinungen im Netz hierzu beweisen es. Für die einen hat diese Gefühlsachterbahn zu viel Frust geführt. Für einen anderen Teil ist es aber genau das, was diesen Titel so einzigartig macht und von vielen anderen Spielen abhebt.

Die grafischen Details sorgen gleichzeitig auch für eine detailliertere Brutalität, die allerdings perfekt in die Welt der Apokalypse passen.
Fazit
Viel der Kritik ist zumindest in Teilen berechtigt oder zumindest aus Sicht der Spieler nachvollziehbar. Entwickler Naughty Dog hat mit der Story viele Erwartungen nicht erfüllt. Das wiederum objektiv betrachtet nicht, dass diese deshalb schlecht geschrieben wurde. Ganz im Gegenteil: Die Entwickler gehen in der Erzählweise einen mutigen Schritt und transportieren die gewollten verschiedenen Emotionen perfekt auf euch als Spieler. Die vielen Details tragen dazu einiges bei und die grafische Umsetzung verstärkt sowohl die schönen als auch die unschöneren Momente.
Zweifellos hat The Last of Us 2 in einigen Punkte neue Maßstäbe gesetzt und in seiner Erzählweise neue Elemente ausprobiert. Auch wenn es einige Schwächen gibt, beschränkt sich die Kritik häufig auf Details oder persönliche Enttäuschung statt auf objektive Faktoren. So ist vermutlich die große Diskrepanz zwischen Presse und Nutzern zu erklären. Zudem ist der User-Score bereits von anfangs 3,9 auf 5,4 gestiegen, was wohlmöglich daran liegen könnte, dass nun viel mehr Spieler am Ende der Story angelangt sind und einige Entscheidungen der Entwickler nun doch besser nachvollziehen können.
Transparenzhinweis: Das Spiel „The Last of Us 2“ wurde für diesen Test kostenfrei von Sony Interactive Entertainment zur Verfügung gestellt.

Neben viel Action und aufwühlenden Ereignissen bringen Rückblicke immer wieder Abwechslung und wichtige Hintergrundinformationen ins Spiel.